Firmengründer Sören Patzig, so heißt es, startete das Unternehmen in einem völlig heruntergekommenen Haus in Cottbus. Von dort aus habe der Siegeszug der AFA begonnen, rund 100 Agenturen seien mittlerweile entstanden. Bisher gab es laut AFA Jahr für Jahr ein Wachstum im zweistelligen Bereich, und bis zum Jahr 2012 soll gar ein Neugeschäft von 3 Milliarden erreicht sein – und das alles mit kostenloser, individueller und unabhängiger Finanzberatung.
Die AFA ist ein klassischer Strukturvertrieb, der vor allem dadurch wächst, dass er immer neue Mitarbeiter, gern auch branchenfremde, anwirbt. Die neuen Mitarbeiter werden mit dem Versprechen gelockt, mit Fleiß und Einsatzbereitschaft gut verdienen zu können. Ehemalige Mitarbeiter berichten sogar, dass sie angewiesen wurde, neue Mitarbeiter über das Telefonbuch zu finden. Zusammen mit anderen AFA-Mitarbeitern habe man im Kreis gesessen, wobei jeder einen anderen Buchstaben aus dem Telefonbuch „abtelefoniert“ habe. Wie auf diese Weise qualifizierte Mitarbeiter gefunden werden sollen, bleibt wohl ein Geheimnis. Zumal im Telefonat angeblich nicht einmal der Firmenname erwähnt werden durfte, um die potentiellen Interessenten nicht zu verschrecken. Zur Erklärung „wer man sei“, erklärte man dann angeblich, man sei eine Finanzagentur, die ähnlich wie die „Stiftung Warentest“ arbeite.
Ihre Finanzberater rekrutiert die AFA an allen möglichen und unmöglichen Stellen: in Online-Jobbörsen, Einkaufspassagen, aber auch mittels Aushängen an Bushaltestellen. Der Grundtenor ist immer gleich: Qualifikation und Berufserfahrung spielen keine Rolle, wir nehmen jeden. Oft nennt die AFA nicht einmal Firmenname oder Branche, von einer Tätigkeitsbeschreibung ganz zu schweigen. Auf telefonische Nachfrage gibt es Allgemeinplätze zu hören, wie beispielsweise, dass die Firma „Datenerfasser“ suche, oder dass es sich um eine Tätigkeit handele, die mit der der Stiftung Warentest vergleichbar sei, „nur für Finanzen“, wie Erfahrungsberichte im Netz vermuten lassen.
In den Vorstellungsgesprächen wiederholt sich das Bild. Man helfe Menschen, Geld zu sparen, indem man Preisvergleiche anstelle. Von einer Tätigkeit als freier Handelsvertreter für Versicherungen ist zunächst oft keine Rede, diese Katze wird erst später aus dem Sack gelassen. Nach einer reißerischen Firmenpräsentation, in der abwechselnd die Angst der Zuhörer vor Altersarmut, hohen Steuern und Arbeitsplatzverlust bedient wird, um dann die AFA als Lösung all dieser Probleme unserer Zeit zu präsentieren, steht dann die alles entscheidende Frage: Wollen Sie Menschen helfen, und damit auch noch gutes Geld verdienen? Wer will das nicht – und so finden sich die Teilnehmer der Firmenpräsentation anschließend in einem, immerhin kostenlosen, „Aufbauseminar“ wieder. Hier soll in vier mal zwei Stunden das kleine Einmaleins der verbraucherschutzorientierten Finanzberatung erlernt werden.
Als die Praktikantin Nadine Kramer zusätzlich aufgefordert wurde, sich am Telefon als Freiberuflerin mit eigenem Büro auszugeben, wurde es ihr zu viel – diese Art der Mitarbeiterakquise konnte sie mit ihrem Gewissen nicht mehr vereinbaren. Den Arbeitssuchenden, die sich trotz knapper Informationen zu einem Vorstellungsgespräch einfinden, wird viel versprochen. Nadine Kramer erinnert sich an ein geradezu sensationelles Karrierebeispiel, einen jungen Mann, der nach gerade einmal sechs Monaten bei der AFA bereits so gut verdient habe, dass er sich einen eigenen Sportwagen leisten könne. Gesehen habe sie diesen erfolgreichen AFA-Mitarbeiter aber nie, nicht einmal auf Fotos.
Die Interessenten sollen mit der Aussicht auf gute Verdienstmöglichkeiten bei der Stange gehalten werden. Doch in erster Linie verdienen die alteingesessenen Mitarbeiter – für jeden Vertrag, den die neuen verkaufen, erhalten die Strukturhöheren, das heißt der anwerbende Mitarbeiter und dessen Vorgesetzte, ebenfalls Provisionen. Wirklich gut verdienen in einem solchen System nur die Strukturoberen, die nicht nur pro verkauften Vertrag mehr Provision erhalten, sondern auch an den Verkäufen der eigenen „Linie“ mitverdienen. Die frisch angeworbenen Mitarbeiter hingegen geben oft schon kurz nach ihrem hoffnungsvollen Einstieg auf, sobald der Freundes- und Bekanntenkreis, von der AFA auch als Diamantenmine bezeichnet, mit Versicherungen versorgt ist. Auch dies ist ein Grund für die ständigen Versuche der AFA, neue Mitarbeiter zu gewinnen: die Adressbücher der Bewerber sind das wichtigste Kapital für den Strukturvertrieb.