Als innovationsfeindlich kritisiert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) den Widerstand der Lebensmittelindustrie gegen effektive Kriterien für gesundheitsbezogene Werbeaussagen. Anlass ist eine heutige Anhörung im Verbraucherausschuss des Bundestages.
Hintergrund ist die so genannte Health-Claims-Verordnung, die die EU-Kommission bis Ende des Jahres konkretisieren will. Die Lebensmittelindustrie setzt sich für möglichst weiche Kriterien ein. „Verbraucher wollen keinen Etikettenschwindel, sondern Produkte, die halten was sie versprechen“, so vzbv-Vorstand Gerd Billen.
In der Anhörung kritisierten Vertreter der Lebensmittelindustrie strengere Vorgaben als diskriminierend und willkürlich. Lebensmittel würden damit ohne sachlichen Grund in „gute“ und „schlechte“ eingeteilt. „Wenn ein Fertiggericht den Salzbedarf eines ganzen Tages deckt, dann ist das schlecht für die Gesundheit. Wenn dieses zudem den Anschein erweckt, es sei gesund, ist das auch noch unwahr“, erklärt Billen. Der Widerstand der Lebensmittelindustrie gegen strenge Kriterien ist aus Sicht des vzbv für Verbraucher doppelt ärgerlich. Nicht nur würde der Verbrauchertäuschung Tür und Tor geöffnet, es werde auch eine Chance zur Produktinnovation vertan.
Positivbeispiel in Dänemark
So zeigen Erfahrungen aus Dänemark, dass anspruchsvolle Vorgaben nicht zum Nachteil der Wirtschaft sein müssen. Dort gibt es seit Jahren Bemühungen, die Lebensmittelqualität zu verbessern. Behörden, Verbraucherschützer und Industrie ziehen dabei an einem Strang. So unterstützen die Hersteller ein Verbot von Lebensmitteln, deren Fettgehalt mehr als zwei Prozent Transfettsäuren enthält. „Es wäre sehr problematisch, dürften Produkte, die aus gesundheitlichen Gründen in Dänemark verboten sind, in der restlichen EU mit gesundheitsbezogenen Angaben geschmückt werden“, erklärt Sofie Krogh Holm, die für den dänischen Verbraucherrat an der Anhörung im Bundestag teilnahm. Sie ist besorgt, dass der Widerstand der deutschen Lebensmittelbranche auf EU-Ebene zu weichgespülten Regelungen führen könnte. Das wäre für die dänischen Aktivitäten ein Rückschlag.
Nährwertprofile sollen Grenzwerte in Lebensmitteln festlegen
Die Health-Claims-Verordnung ist bereits seit 2007 in Kraft, doch es fehlen konkrete Festlegungen dafür, welche Lebensmittel nährwert- oder gesundheitsbezogene Werbeaussagen machen dürfen. Dabei geht es um Angaben wie: „Quelle für Calcium. Calcium ist notwendig für den normalen Erhalt von Knochen und Zähnen.“ Die EU-Kommission prüft derzeit ob solche Behauptungen wissenschaftlich belegbar sind und stellt eine Liste mit zugelassenen Aussagen (Claims) zusammen. Zudem sollen so genannte Nährwertprofile Grenzwerte für problematische Inhaltsstoffe wie Fett, Salz oder Zucker festlegen. Werden diese überschritten, dürfen die Produkte keine nährwert- oder gesundheitsbezogene Werbeaussage tragen. „Das ist wichtig, damit nicht Kalorienbomben schöngeredet werden, nur weil auch etwas Calcium enthalten ist“, so Billen. Immer wieder werben Hersteller hier mit irreführenden Aussagen. Der vzbv hatte zuletzt namhafte Unternehmen deswegen abgemahnt. (Link zur Pressemitteilung vom 4.10.2010)
Die europäische Verbraucherorganisation BEUC wird in den kommenden Wochen einen Vorschlag machen, welche Kriterien Lebensmittel erfüllen sollten, damit ihre Hersteller auf einen besonderen Nährwert- oder Gesundheitsnutzen hinweisen dürfen. Mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission ist frühestens im Dezember zu rechnen.
Quelle: Verbraucherschutzbundesverband